Der perfekte Chef hat Fachkompetenz und große Ohren

Der ideale Vorgesetzte ist kompetent, ehrlich, hört zu und hat eine Vision. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Umfrage, die ich unter Teilnehmern des Führungskräftetages 2008 in Leipzig durchgeführt habe.

Die Teilnehmer bekamen von mir eine leere Karteikarte und beantworteten darauf unabhängig voneinander die Frage: “Welche Qualitäten erwarten Sie von Ihrem Chef?”

Und hier das Ergebnis der gesamten Umfrage (nicht erfasst sind nur einmal genannte Eigenschaften):

10 von 22 Stimmen:

  • Fachkompetenz, fachlicher Durchblick 8 Stimmen:
  • Integrität, Charakter, Geradlinigkeit, Ehrlichkeit 7 Stimmen:
  • Offene Ohren für Probleme, zuhören können, ansprechbar, gesprächsbereit
  • Visionär

6 Stimmen:

  • Ziele verfolgen, wissen, was man will

4 Stimmen:

  • Vertrauen, Zutrauen
  • Zuverlässigkeit, Klarheit, Berechenbarkeit, kalkulierbar
  • Einfühlungsvermögen, gewisses Feingefühl

3 Stimmen:

  • Vorbild
  • Durchsetzungskraft, nicht wankelmütig

2 Stimmen:

  • Lob bei guter Arbeit
  • Weisheit & Lebenserfahrung, das Unternehmen erfolgreich zu führen
  • klare Vorgaben

Zahlreiche dieser Eigenschaften werden uns noch in diesem Blog begegnen. Ich will hier nur auf zwei eingehen: Fachkompetenz – und eben die großen Ohren.

Fachkompetenz
Zunächst einmal: Fachkompetenz allein reicht nicht aus, um andere Menschen zu führen. Diese leidvolle Erfahrung hat so mancher neue Chef (und auch seine Mitarbeiter!) gemacht. Daher wird in Management-Lehrbüchern gern behauptet, ein Manager müsse nicht unbedingt Fachkenntnisse aufweisen, Hauptsache, er könne gut führen. Das stimmt allerdings auch wieder nicht. Die Autorität einer Führungskraft leitet sich auch daraus ab, ob sie fachlich ein Vorbild ist. Oder sagen wir es so: Fachkompetenz allein reicht nicht, ohne geht es aber auch nicht. Ich kann mich noch gut an den Spitzenreiter einer vergleichbaren Umfrage (“Was erwarten Sie von Ihrem Redaktionsleiter?”) erinnern, die Thomas Lünendonk unter Teilnehmern des Seminars “Redaktionsmanagement” im November 2001 in Potsdam durchführte.

Auch dort lautete einer der zwei Spitzenreiter: “Fachkompetenz”. Und Salomo, der doch so viel Wert auf emotionale Intelligenz legt? Auch er setzt auf Fachkompetenz:

Siehst du einen Mann, der gewandt ist in seinem Geschäft, – vor Könige wird er hintreten, er wird nicht vor Niedrige hintreten. (Sprüche 22,29)

Für Sie heißt das: Sie sollten Ihr Fach-Know-how regelmäßig auffrischen und ausbauen. Falls Sie fachfremde Mitarbeiter zu führen haben, sollten Sie sich zumindest Grundkenntnisse auf deren Gebieten zulegen.

Große Ohren
Zuhören, immer wieder zuhören! Der perfekte Chef hört aus mehreren Gründen zu. Nur so kann er die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter erfüllen. Nur so kann er von ihrem Know-how und ihren Verbesserungsvorschlägen profitieren. Nur so kommt er im Gespräch zu Ergebnissen, die von beiden Seiten geteilt werden. Nur so kann er dafür sorgen, dass alle gemeinsam und von Herzen das tun, was zu tun ist. Salomo sagt:

Der Weg des Narren erscheint in seinen [eigenen] Augen recht, der Weise aber hört auf Rat. (Sprüche 12,15)

Und zwar auch und gerade auf den Rat seiner Mitarbeiter.

Kommentare (8)

  1. Hallo Herr Lengen, ja, ich stimme zu. Das ist das 3. Treffen dieser Tage mit der jüdischen Bibel, dem alten Testament: 1 – Letzte Woche las ich Julian Jaynes “Die Entstehung des Bewußtseins”. Seine These: a) es gibt im Gehirn zwei Sprachzentren, i.d.R. sorgt bei Rechtshändern das der linken Hirnhemisphäre für unsere bewußte Sprache. Im bewußten Zustand beherrscht es das der rechten Hemisphäre. Bei Schizophrenie übernimmt das rechten Sprachzentrum die Kontrolle – die autoritären Stimmhalluzinationen kommen von dort. b) bis zum Chaos im Miitelmeerraum um 1400 v. Chr. (Tsunami durch die Explosion von Santorin, Untergang der minoischen Kultur etc.) hatten die Menschen kein subjektives Bewußtsein mit einer Ich-Vorstellung, wie wir sie kennen. Belege: – siehe Illias – die Menschen dort führen keinen inneren Dialog, sondern werden wir Marionetten von den Göttern (den Personifikationen der Stimmen) gesteuert. – siehe Assysrien: die richtungsweisenden “Stimmen der Götter” verschwinden, weil sie als intrinsisches Medium auf die chaotischen Veränderungen keine Antwort mehr wissen (können). Auf den Stand-bildern dieser Zeit ist der Thron des Gottes leer. Die Folge ist eine brutale Diktatur ohne moralische Kontrolle. c) Odyssee – sie ist die Reise des Menschen zum individuellen Bewußtsein. Das alte Testament (es deckt einen Zeitraum von ca. 1200 Jahren ab) ist die Beschreibung der Entstehung des subjektiven Bewußtseins, vgl. z.B. die Texte von Amos 700 v. und Kohelet 200. v. Chr.). d) Warum Sprache als Medium der Führung? Menschliche Entschei-dungsprozesse benötigen sehr komplexe Informationsverarbeitung. Und Sprache ist ein kompakter Code zur Mitteilung von einer Gehrirnseite zur anderen (über ?untere Kommissur? bzw. “Corpus Callosum”). 2- Jetzt lese ich “Ihr werdet sein wie Gott” von Fromm und staune über das moderne Gottesbild insbesondere der rabbinischen Diskussionen darüber. 3 – ? und nun Salomo als ?alte moderne? Führungskraft und “Mediator”: Steuerung der eigenen Emotion und erfolgreicher Umgang mit anderen. Ich muss in der Führungsrolle auseinanderhalten, was ?wirklich, sachlich? ist und was durch meine Interpretation des Wahrgenom-menen “verzerrt hinzu kommt”. Wie erfahre ich das? Fragen und Zhören, damit mein Gegenüber die Chance bekommt, meine Mißverständnisse zu korrigieren. Und auf der fachlichen Ebene? Wenn ich fachlich nicht genug weiß, kann ich nicht die richtigen Fragen stellen, um bei meinem Gegenüber (dem Mitarbeiter, dem Experten) den Denkprozess zu befördern (der denkt dann irgendwann: “Nein, stellt der blöde Fragen? hat der keine Ahnung ? Nee, so dumm kann er nicht ein. Hat er also kein Interesse??”. Damit löse ich eine gefährliche Kaskade von Mißverständnissen aus?. Wenn ich dann nicht als ehrlich wahrgenommen werden, dann traut sich keiner mehr zurück zu fragen?. oh oh? MFG A.Lehmann

  2. Hallo Herr lengen, haben Sie auch eine Umfrage gemacht, wie sich Mitarbeiter “e i n e ideale V o r g e s e t z t e” vorstellen ? Das interessiert mich mehr. -:) Mit freundlichen Grüßen Freia Lippold Schöne Weihnachten und ein gesegnetes Neues Jahr.

  3. @A. Lehmann: Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag! Besonders aufschlussreich finde ich Ihren letzten Absatz. Der zeigt: Ohne Fachkompetenz kann ich nicht die richtigen Fragen stellen und damit nicht gut zuhören! An diese Verbindung hatte ich gar nicht gedacht – sehr schön! Als alter Altgrieche habe ich mich ebenfalls Ihre Hinweise zu Ilias und Odyssee gefreut. Ich muss nur zugeben, dass ich da in Sachen “Gottesbild” nicht so firm bin.

    @Freia Lippold: Liebe Frau Lippold, dankeschön für diesen Hinweis! Zum Glück habe ich vor kurzem über eine ChefIN geschrieben: http://salomo.de/wordpress/zeit-furs-schweigen-und-zeit-furs-reden/
    Da habe ich ja noch einmal Glück gehabt! Ansonsten gilt wie auch sonst oft: Der Einfachheit halber wird nur ein Geschlecht genannt. Aber ich werde mich anstrengen, auch weiterhin über weibliche Vorgesetzte zu schreiben, Männer-Ehrenwort!

  4. “Am Anfang war das Wort” oder “Die Macht der Sprache” Lieber Herr Lengen, zunächst zu der Erkenntnis, dass ein Mensch nur so gut fragen kann, wie es ihm seine Vorkenntnisse ermöglichen (das heißt umgekehrt auch: aus der Inhalt, Zielrichtung und Komplexität der Frage kann ich auf den Wissensstand des Fragenden schließen). Ich frage mich , ob nicht in der Liste der Fähigkeiten eine ganz wesentliche fehlt, die so selbstverständlich ist, dass wir sie vor lauter Wörtern nicht sehen: Die Sprache selbst. Was erwarten wir vom Chef? Dass er/sie Entscheidungen trifft und MITTEILT, damit wir wissen, wo wo es langgeht. Dazu muss er/sie SPRECHEN ? und zwar differenziert.

    Wenn ich mir Ihre Liste anschaue, dann sehe ich folgendes: * Fachkompetenz, fachlicher Durchblick – woher weiß ich das? Aus den Entscheidungen und GESPRÄCHEN…
    * Integrität, Charakter, Geradlinigkeit, Ehrlichkeit – woher weiß ich das? Aus dem, was er/sie SAGT gemessen an dem, was er/sie tut (oder beim nächsten Mal sagt…)
    * Offene Ohren für Probleme, zuhören können, ansprechbar, gesprächsbereit – das beschreibt GESPRÄCHS-”Atmosphäre” – ich erfahre das durch die SPRACHE meiner Führungskraft.
    * Ziele verfolgen, wissen, was man will – ? weil er /sie es mir SAGT…
    * Vertrauen, Zutrauen, Zuverlässigkeit, Klarheit, Berechenbarkeit, kalkulierbar, Einfühlungsvermögen, gewisses Feingefühl – woran messe ich das? An den Gesprächen, an der SPRACHE
    * Lob bei guter Arbeit und klare Vorgaben – in dem er/sie zu mir SPRICHT…
    * Weisheit & Lebenserfahrung, das Unternehmen erfolgreich zu führen: manche SCHREIBEN auf, was sie für eine wichtige Erkenntnis halten – wie Salomo oder auch wir hier…

    Hier bin ich wieder bei “meinem” Julian Jaynes. Sein Konzept – selbst wenn seine Schlußfolgerungen über das Alter des subjektiven Bewußtsein falsch sein sollten – betont, dass Sprache ein Steuerungsinstrument des Bewußtseins ist (dieses Steuern lernt der Mensch durch die Erziehung über Personen – und nach diesem Konzept werden aus inneren Stimmen Götterbilder personifiziert). Ich habe immer viel mit mir selber gesprochen, ich nehme an, das macht jeder: schauen Sie Kindern beim Spielen zu. Und was unterscheidet uns mehr als die Sprache von den Tieren? Schlußfolgerung: Sprache ist (Selbst-)Führung. Sprache wirkt mindestens so stark wie Schläge – sie wirkt psychisch (vgl. NLP und Transaktionsanalyse).

    In der Familie, in der Presse und auf der Arbeit erlebe ich, wie schnell es zu Mißverständnissen, Verletzungen, Haß und letzlich Zerstörung kommt, wenn mensch Sprache unsensibel benutzt (die absichtliche Brutalität der Sprache betrachte ich hier NICHT. Aber jeder Demagoge weiß um die Macht der Sprache). Hier setzen Konzepte wie die von Ruth Cohen (TZI), Friedemann Schulz-von-Thun (“Miteinander reden”) und Rosenberg (“gewaltfreie Kommunikation”) an. Sie gehen – verkürzt gesagt – davon aus, dass das Mißverständnis der Normalfall ist.
    D.h., meine Aufgabe als “Sprecher” ist, sicher zu stellen, dass meine Botschaft angekommen ist (bei der Armee läßt der Vorgesetzte sich den Befehl wiederholen: kein schlechtes Konzept). Wenn ich die Mißverständnisse nicht kläre (bzw. nicht mit solchen rechne), bin ich erstaunt über das Echo meiner Botschaft. Bald werden dann aus Mißverständnissen Verletzungen – oder Schweigen.
    Mit freundlichen Grüßen bis zum nächsten Mal Andreas Lehmann

  5. Lieber Herr Lehmann, zwei kurze Anmerkungen zu Ihrer Mail:
    1. Wenn die Sprache so wichtig ist, wie Sie sagen (und das stimmt!), warum haben die Teilnehmer der Umfrage so wenig darauf Bezug genommen? Weil die das erstens nicht so reflektiert haben (war ja eine Blitzumfrage) und es zweitens um ihre Wünsche ging! Und da ist ihnen das Ohr des Chefs noch wichtiger als die Zunge!
    2. Ja, “Sprache ist Führung” (Sie sehen, ich habe das ?Selbst-? gestrichen, sonst wird es mir zu philosophisch). Und der Mitarbeiter ist auf das Sprechen und das angemessene Sprechen des Vorgesetzten angewiesen. Was leider auch stimmt: “Sprache kann wie Schläge wirken”. Salomo sagt dazu z.B. in Sprüche 18,8: “Die Worte des Verleumders sind Schläge und gehen einem durchs Herz.” Nicht umsonst nimmt nicht nur das Hören, sondern auch das Sprechen einen großen Raum ein bei Salomo.

  6. Sehr geehrter Herr Lengen, Fachkompetenz ist wichtig, aber worin! Der Chef soll nicht der beste Sachbearbeiter sein, das würde Mitarbeiter demoralisieren. Welche Fachkompetenz soll es also sein. Sicher die Kompetenz Leistungen richtig beurteilen zu können. Sicher auch die Kompetenz richtig zu loben und angemessen zu kritisieren. Vorallem aber auch die Kompetenz die Individualität seines Mitarbeiters zu erkennen, zu würdigen und zu fördern.

    • Das ist ein toller Trost für mich, der ich IT-Leute führen muss, ohne davon Ahnung zu haben. Aber nicht ich habe die Behauptung aufgestellt, Fachkompetenz sei nötig, sondern die Teilnehmer der Umfrage in ihrer Rolle als Angestellte. Ich hoffe, Sie haben Recht: Vielleicht reicht auch schon die Kompetenz, Leistungen in einem bestimmten Fach zu beurteilen. Aber dazu braucht man doch ein Minimum an Erfahrung, oder?

  7. Ich glaube, es hängt von der Hierachchieebene ab: Als Angestellter wünsche ich mir “Resonanz”, d.h. kritisches Hinterfragen meiner Lösung durch den Vorgesetzten: ich könnte ja was übersehen haben, außerdem will ich erkennen können, ob ich seinen Auftrag richtig verstanden habe. D.h. als MItarbeiter muss ich meine Lösung erklären können. Als Abteilungs- oder Teamleiter brauche ich auch ein Minimum an Erfahrung und Kenntnissen, um die vom Mitarbeiter erarbeiteten Ergebnisse nachvollziehen zu können. Wie kann ich sonst die Qualität seiner Arbeit beurteilen? Geht es auch nur indirekt über die Kundenzufriedenheit (“Qualität – Kosten – Termine”)? Ich selber war bisher nur auf Teamleiterebene tätig – da bin ich “Obersachbearbeiter” und meine Fachkenntnisse beziehen sich auch auf das Fachthema. Ich kann mir vorstellen, dass mit steigender Führungsebene die Fachkompetenz eher darin liegt, wie ich die Bedürfnisse der Kunden bzw. Vorgesetzten erkenne, um die Zuarbeit/ das Produkt darauf abzustimmen, wie ich Entscheidungen herbeiführe – und wie ich meine Mitarbeiter auswähle bzw. einsetze, so dass sie ihre Stärken bestmöglich einsetzen können. Die Finanzkrise (vgl. Artikel über den Banker Kerviel im letzten Zeitmagazin: Führungskräfte haben Warnhinweise der Kontrollinstanzen ignoriert) scheint auch dadurch entstanden zu sein, dass Führungskräfte sich nicht mal die Mühe gemacht haben, Qualität (auch für den Ruf der Bank) und die (langfristige) Kundenzufriedenheit zu prüfen. Das hätte wahrscheinlich (zusammen mit durchschnittlichem Menschenverstand) ausgereicht, um den Irrsinn zu stoppen.