Heilen Sie mit Ihrer Zunge?
Das macht keinen Spaß: Zwei meiner Kinder hatten sich gestritten. Lautstark. Nicht das erste Mal. Der Grund? Sag’ ich nicht.
Erstens bringt Sie das nicht weiter. Und zweitens ist es mir mittlerweile egal. Denn wissen Sie was? Ich habe noch nie herauskriegen können, wer wirklich schuld war. Beide fühlten sich natürlich im Recht. Und ich konnte beide verstehen. Nach mehreren gescheiterten Vermittlungsversuchen holte ich dann die Salomo-Keule heraus:
“Da ist ein Schwätzer, [dessen Worte sind] Schwertstiche; aber die Zunge der Weisen ist Heilung.” (Sprüche 12,18)
Ich habe also beide nacheinander gefragt: “Hast Du mit deiner Zunge geheilt?” Zur Ehre der beiden Streithähne muss gesagt werden: Beide waren so ehrlich und haben diese Frage verneint – eine gute Grundlage für den Friedensschluss danach. Doch zuvor startete ein Streithahn einen letzten Versuch: “Aber du musst ihr noch sagen, dass sie das falsch gemacht hat!” — Ich: “Warum? Was bringt das?”.
Schwertstiche kommen zurück
Wir konnten uns einfach nicht darauf festlegen, wie wir die Angelegenheit beim nächsten Mal – und das nächste Mal kommt bestimmt! – regeln können. Es geht eben nicht um die Schuldfrage. Die ist sowieso nicht zu klären. Es geht darum, den Konflikt auf die richtige Weise zu klären. Schwertstiche per Zunge sind dafür kaum das richtige Rezept. Da kommt ruck-zuck das Schwert zurück.
“Eine sanfte Antwort wendet Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt Zorn.” (Sprüche 15,1)
Also Schwertstiche funktionieren nicht. Sie verletzen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, selbst verletzt zu werden. Salomos Empfehlung: Stellen Sie sich in kritischen Situationen die Frage: “Heile ich mit meiner Zunge?”. Wenn Sie gut sind, vor dem Reden.
Alexander -
Das sind goldene Worte. In diesem Zusammenhang kann man auch sagen: “Freundliche Worte sind wie Honig …” (Sprüche 16, 24).
Wie soll man einen Streit vernünftig schlichten, wenn man sich auf eine Seite schlägt? Wie soll man aus einem Streit als Sieger hervorgehen, wenn man lautstark auf sein Recht pocht? Wer laut ist, hat recht? – Das stimmt selten. Doch bei aller Vernunft und Erkenntnis fällt es mir leider oft schwer, sanft zu sein. Die Zunge ist ein scharfes Schwert, und sie kann tiefe Kerben schlagen. Wenn man sich schnell echauffiert und in Rage bringen lässt, wenn man seinem Ärger lautstark Luft machen muss, wenn man dazu noch verletzend wird, kann man nichts gewinnen. Sachliches Argumentieren ist dann ausgeschlossen. Und hinterher tut es einem oft leid.
Deshalb ist es auch so gut, sich die Frage (“Heile ich mit meiner Zunge?”) v o r dem Reden zu stellen. Ich möchte das gerne häufiger beherzigen.