Salomonisches Urteil
Zwei Mütter, ein Kind – und jede behauptet, es sei ihr Kind. Salomo soll entscheiden – der erste große Test, wie weit es mit der Weisheit des jungen Königs wirklich her ist.
Lassen wir die Bibel selbst zu Wort kommen (1. Könige 3,24ff.)
Und der König sprach: Holt mir ein Schwert! Und man brachte das Schwert vor den König. Und der König sprach: Zerschneidet das lebende Kind in zwei Teile und gebt der einen die eine Hälfte und der anderen die andere Hälfte! Da sagte die Frau, deren Sohn der lebende war, zum König, denn ihr Innerstes wurde erregt wegen ihres Sohnes, sie sagte also: Bitte, mein Herr! Gebt ihr das lebende Kind, aber tötet es ja nicht! Jene aber sagte: Weder mir noch dir soll es gehören, zerschneidet es! Da antwortete der König und sprach: Gebt der ersten das lebende Kindchen und tötet es ja nicht! Sie ist seine Mutter.”
Was ist an diesem Urteil salomonisch?
Zunächst einmal ist das Vorgehen dramatisch! Salomo sagt nicht einfach nur einen Spruch, er lässt ein Schwert holen – er scheint es ernst zu meinen. Sein Befehl, das Kind zu zerteilen, ist brutal, könnte aber – Entschuldigung! – als “gerecht” angesehen werden. Da ja nicht auszumachen ist, wer die Mutter ist, sind ja beide gleichberechtigte Bittstellerinnen – und bekommen daher jeweils die Hälfte. Natürlich ist der Vorschlag nicht gerecht.
Schlussfolgerung 1: “Gerecht” ist nicht immer gerecht.
Praxis-Frage 1: Mache ich es mir zu einfach mit “gerechten” Lösungen?
Aber wir haben noch nicht die Antwort darauf, was an Salomos Vorgehen salomonisch ist. Vielleicht ist sein Vorgehen so cool und so weise, dass es zu banal ist, diese Frage zu beantworten. Ich versuche es dennoch: Ich glaube, das Entscheidende ist, dass er mit seinem Vorgehen die Herzenshaltung dieser beiden Frauen offenlegt.
Die Schlüsselformulierung ist für mich die Charakterisierung der wahren Mutter:
denn ihr Innerstes wurde erregt wegen ihres Sohnes
Auch die falsche Mutter zeigt Herz, aber eines aus Stein. Salomo hingegen weiß, wie eine Mutter tickt und wie er sie erreichen kann.
Schlussfolgerung 2: Weise handelt, wer das Herz des Anderen erreicht.
Praxis-Frage 2: Will ich das Herz des Anderen erreichen?
Was bei erstem Hinsehen am meisten beeindruckt: Salomo stellt keine großartige Untersuchung an oder lässt ein Experten-Gutachten erstellen, das wiederum von mehreren Kommissionen analysiert wird. Er versucht auch nicht, nach bestimmten Kriterien selbst zu entscheiden. Er gibt nur den – klugen! – Anstoß.
Die Bittstellerinnen selbst sorgen für ein Ergebnis, das unanfechtbar ist – am wenigsten von ihnen selbst. Auch wenn Salomo nicht gerade kooperativ vorgeht: Er bezieht die beiden Frauen in die Lösung des Problems ein und lässt sie die Antwort geben.
Schlussfolgerung 3: Der Weise begnügt sich damit, einen Anstoß zu geben, und bezieht den Anderen in die Lösung ein.
Praxis-Frage 3: Beziehe ich den Anderen in die Lösung ein?
Mit diesem Urteil hat Salomo seinen Ruf begründet (1. Könige 3,28):
Und ganz Israel hörte das Urteil, das der König gefällt hatte, und sie fürchteten sich vor dem König. Denn sie sahen, dass die Weisheit Gottes in ihm war, rechtes Gericht zu halten.
Karl Möckel -
Wir haben als Hausverwalter kürzlich durch einen Fehler einem unserer Hauptkunden einen finanziellen Schaden zugefügt. Eine Mitarbeiterin konnte ihn nicht beruhigen, so dass er sich zu mir dem Geschäftsführerdurchstellen lies. Ich entschuldigte mich für den Fehler und bot an den Schaden meiner Versicherung zu melden. Seine Antwort: Über Geld habe ich nicht gesprochen. – Er wollte nur, dass wir unseren Fehler eingestehen. Einige Tage später erteilte er uns einen Auftrag.