Warum ich Schweinsteiger gern als Freund hätte
Ich hätte gern Bastian Schweinsteiger als Freund. Warum?
Weil er reich und berühmt ist? Nein, das wäre zwar ein netter Nebeneffekt, aber das ist es nicht.
Weil er gut Fußball spielen kann? Nein. Wäre zwar praktisch, wenn ich mit meinen Kumpels kicke, aber dann kann ich ja gar nicht mehr selbst mit meiner Spielübersicht glänzen (!).
Weil ich Bayern-Fan bin? Nein. Ich bin SC Freiburg-Fan, allerdings auch kein Bayern-Hasser.
Nein, ich hätte gern Schweinsteiger als Freund aus dem Grund, aus dem wir uns alle gern einen Freund wünschen. Na?
Ich hätte gern einen Freund, der zu mir steht, wenn es mir schlecht geht und wenn alle gegen mich sind. Wenn ich tief in der … stecke, alle von mir abrücken und es peinlich ist, mein Freund zu sein.
So, und Schweinsteiger hat eben dies getan. Ich weiß nicht, ob Sie am Abend des glorreichen WM-Finales das Interview mit Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski und später Christoph Kramer gesehen haben.
Viel Jubel, viel Rumgealbere, und dann kommt die Passage, um die es mir geht. Bastian Schweinsteiger sagt:
„Ganz spezieller Gruß, wirklich, an einen Mann, der, ich glaub’, ohne den wären wir alle nicht hier, das ist Uli Hoeneß. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Wir glauben daran, dass alles gut wird, und wir unterstützen Sie sehr. Vielen Dank!“
Bastian Schweinsteiger in einem Interview am 13. Juli 2014
Was daran so besonders ist? Nun, Schweinsteiger feiert gerade seinen größten Triumph. Und genau in diesem Moment denkt er an einen Mann, der im Moment nicht so gefeiert ist. Sie müssen nur einmal in den Internet-Foren die Kommentare lesen, die über Hoeneß geschrieben werden. Nicht immer sehr freundlich, vorsichtig gesagt.
Mir geht es hier nicht darum, ob Hoeneß ein feiner Kerl ist oder nicht, sondern darum, dass er in der Tinte, Pardon, im Gefängnis sitzt.
Und Schweinsteiger denkt nicht nur im Moment seines größten Triumphes an Hoeneß, sondern er bekennt sich in aller Öffentlichkeit zu ihm, stellt sich an seine Seite. Das finde ich stark! Und Salomo auch:
Ein Freund liebt zu aller Zeit, und als Bruder in der Not wird er geboren. (auch übersetzt: „ein Bruder wird für die Not geboren“)
Salomo: Sprüche 17,17
Hoeneß vor dessen Steueraffäre zu grüßen, dazu gehört so wenig Mut, dass es wie Schmeichelei wirkt. Hoeneß jetzt zu grüßen und noch zu betonen, dass man ihm den Weltmeistertitel verdanke – und dies nicht etwa auf Nachfrage, sondern von sich aus, das ist stark.
Schließlich setzt er sich selbst der Kritik der Hoeneß-Kritiker /-Hasser aus. So heißt es in einem Kommentar zu diesem Interview auf youtube: “Grüße an Uli Hoeneß ? Unfassbar. Da hat er bei mir gerade Symphatien verspielt.”
Schweinsteiger wird sich mit diesem Kommentar bei so manchen Menschen Sympathien verspielen. Genau deswegen vermeiden andere, in der Not dem Freund beizustehen.
„Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot.“
Schweinsteiger gehört zu den Freunden in der Not. Sie auch?
Claudia -
Ein PERFEKTER Beitrag!!!!
Claudia D. -
Wenn ich das so lese stimmt es total. Manchmal tut es gut, über Dinge nachzudenken und sie von einer anderen Seite zu betrachten…..es entspannt auch weniger Aufregung …..
Otmar Witzgall -
Hallo,
danke für diesen wertvollen Beitrag. Jetzt weiß ich warum ich an dieser Stelle des Interviews eine Träne verdrückt habe.
Bei einer Zusammenfassung der WM hat ein öffentlich-rechtlicher Sender das Interview genau vor dieser Stelle geschnitten – warum wohl? Aus Zeitgründen? Wohl eher, weil er missbilligenden Kommentaren aus dem Wege gehen wollte.
Stark von Schweinssteiger – stark von Ihnen, Herr Lengen, weiter so!
Gruß aus Dresden
Otmar Witzgall
Georg Eckel -
Lieber Herr Lengen,
in Ihren Anregungen und Betrachtungen sind Sprache und Inhalt eng verknüpft. Wie sollte es anders sein? Oft zeigt sich da Mensch – leider aber auch Unmensch. Darum lese ich Ihre Ausführungen und Hilfestellungen so gerne.
Vielen Dank dafür!
Georg Eckel
Volker Scharpe -
bewegend – ermutigend – herausfordernd
Danke
Markus Weiß -
Auch ich fand den Einwurf damals überflüssig und bedenke das jetzt aufs Neue, und es stimmt, ja, ein guter Freund steht an der Seite des Freundes, auch wenn es unangenehm ist, und für wahr, einen solchen Freund wünsche auch ich mir – aber der Freund sollte auch den Mut haben dürfen, mir den Kopf zu schrubben, mir klar sagen dürfen, mein Lieber, das war Sch…., falsch, schlecht, usw. wenn ich fehl gegangen bin.
Gruß aus Berlin und Danke für Geh – danken
Markus Weiß
Feliks Golenko -
Hey Dottore – super geschrieben! Kurzweilig und tiefsinnig. Das macht Sie einfach aus.
Angela J. -
Danke Herr Lengen! Das gefällt mir sehr gut!!!
Ralf Lengen -
Schweinsteiger, Salomo und ich freuen uns über die positiven Kommentare!
@ Markus Weiß: Unbedingt! Natürlich soll der Freund den Mut haben, mir den Kopf zu schrubben, allerdings trifft hier ein Spruch von Leonardo da Vinci zu: “Tadle deinen Freund insgeheim und lobe ihn öffentlich”.
Für Kritik am Freund ist dann natürlich das Mikrofon des Reporters nicht das geeignete Ambiente. Viele “Freunde” machen es übrigens genau anders als da Vinci empfiehlt: Sie kritisieren öffentlich und loben unter vier Augen. Letzteres ist ja nun wirklich kein Kunststück.
Angela Koch -
Hallo Herr Lengen,
danke für die Zusendung Ihres Newsletters. So habe ich heute morgen einfach mal wieder auf Ihrer Seite herumgestöbert. Ihr Beitrag macht mich grad nachdenklich, wird mich noch weiter beschäftigen und ich bin sicher: mich weiter bringen.
Danke dafür.
Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag
Liebe Grüße
Angela Koch