Weniger loben!
Ja, Sie haben richtig gelesen: Weniger loben! Nur damit wir uns richtig verstehen: Damit ist nicht gemeint “Gar nicht loben!”, sondern nur “weniger loben.”
In Salomos Worten:
“Zu viel Honig essen ist nicht gut, und ehrende Worte gebrauche sparsam!” (Sprüche 25,27)
Verbietet Salomo es, ehrende Worte zu gebrauchen? Nein! Aber seiner Meinung nach ist es mit Lob wie mit Honig: Ohne Honig fehlt die Süße. Aber bitte nicht zu viel Honig! Probieren Sie es doch einfach aus! Gehen Sie bei der nächsten Gelegenheit an den Küchenschrank, und holen das Honigglas heraus. Dann tauchen Sie einen Esslöffel ein und rein damit! Und dann noch einen Löffel. Und noch einen. Und noch einen. Und noch einen. Haben Sie es überhaupt bis hierher geschafft? Egal, auf jeden Fall werden Sie dem ersten Teil des Salomo-Spruchs zustimmen.
Wenn aus Lob Schmeichelei wird
Es kommt also auf die Dosis an. Es ist kein Zufall, dass wir davon sprechen, “jemandem Honig ums Maul zu schmieren”. Und da haben wir auch schon die Begründung für den sparsamen Einsatz von Lob: Lob kann schnell in Schmeichelei abgleiten. Und Schmeichelei meint es nicht gut mit dem Gegenüber:
“Ein Mann, der seinem Nächsten schmeichelt, breitet ein Fangnetz vor seinen Schritten aus.” (Sprüche 29,5)
George Bernard Shaw empfiehlt daher, im Zweifelsfall auf das Loben zu verzichten: “Es ist weit besser, echtes Lob unausgesprochen zu lassen, als sich dem Verdacht der Schmeichelei auszusetzen.” Aus: Cashel Byrons Beruf, zitiert nach Shaw-Brevier, herausgegeben von Ursula Michels-Wenz, Frankfurt 1976
Wenn Lob mit der Gießkanne verteilt wird
In Management-Büchern wird oft empfohlen, viel zu loben. Hört sich ja auch gut an. Fredmund Malik dagegen bürstet auch hier gegen den Strich und empfiehlt in seinem Buch Führen, Leisten, Leben sparsam mit Lob zu sein. Er widmet diesem Thema mehr als zwei Seiten unter der Überschrift “Sparsam mit Lob”.
Zwar sei Lob eines der stärksten Motivationsmittel, aber: “Es wird aber leider viel zu oft übersehen, dass Lob nicht an sich wirkt, sondern nur unter ganz bestimmten Umständen, nämlich dann, wenn es nicht abgenutzt ist und wenn es von den richtigen Personen kommt und sich auf die richtigen Leistungen bezieht.” (Seite 259, Hervorhebungen von Malik)
Das Interessante: Laut Malik schadet zu viel Lob nicht nur der gelobten Person, sondern auch dem lobenden Chef, und zwar weil es – verrückterweise! – die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter schwächt: “Die Wirkung auf andere ist fast noch wichtiger als die Wirkung auf die direkt gelobte Person. Mit Sicherheit ist die Unterminierung jeder Leistung die Folge, wenn die Menschen die Erfahrung machen, dass man bereits für schlechte oder mittelmäßige Leistung gelobt wird.”
Vielleicht hat Salomo daran gedacht, als er sagte:
“Wie Schnee im Sommer und wie Regen in der Ernte, so unpassend ist Ehre für einen Toren.” (Sprüche 26,1)
Welchen Vorteil hat sparsames Lob? Es hat Gewicht! Und es verleiht dem Lobenden Autorität! Malik erinnert den Leser an die eigene Schulzeit: “… daran, dass es Lehrer gab, die mit Lob schnell bei der Hand waren, aber genau deshalb kaum Respekt genossen, denn man wusste ja selbst nur zu gut, dass man nicht jeden Tag lobenswerte Leistung erbrachte. … [Und zum Lob eines anderen Lehrers, der selten lobte:] Aber das zählte, das hatte Gewicht, das gab einem so viel Schub, dass man für die nächsten drei Wochen gewissermaßen einen halben Meter über dem Boden schwebte, weil man wusste: Wenn der so etwas sagt, dann war es gut.” (260)
Wenn nur kritisiert wird
Also dann am besten gar nicht loben? À la “Nicht getadelt ist genug gelobt”? Natürlich nicht! Aber das wissen Sie selbst! Sagen wir zum Abschluss etwas zur Form des Lobes: Wenn Sie es ehrlich meinen, dann loben Sie auch richtig! Was ich damit meine? Lassen Sie es mich an einem nicht so gelungenen Beispiel erläutern. Mein damaliger Chef lobte mich nie – doch einmal: Nach mehreren Monaten sagte er zu mir: “Herr Lengen, ich sehe, dass meine Bemühungen um Sie nicht ganz umsonst gewesen sind.” Das kriegen Sie besser hin!
Susann -
“Weniger…” oder “Maß halten” gilt nicht nur fürs Loben, sondern gleichermaßen für Danksagungen, Entschuldigungen etc. Zu viel verringert immer den Wert. Egal um was es geht.
Ralf Lengen -
Ja, man muss aufpassen, dass Lob, Dank, Entschuldigung nicht zu einer Floskel werden. Sie müssen echt (gemeint) sein.
Woran erkennt man das? Am Tonfall. Und an der Begründung. Nicht überzeugend, wenn es keine gibt. Ein einfaches “Tschuldigung” ist zu wenig. Bei Dank habe ich für mich ausgemacht: “Nur begründeter Dank zählt”.
“Zu viel” verringert den Wert, “viel” aber nicht unbedingt. Entscheidend ist, ob es “echt” ist. Wenn Lionel Messi in jedem Spiel drei Tore schießt und der Schnitt bei 0,5 liegt, dann kann ich ihn mit ruhigem Gewissen nach jedem Spiel loben. Aber die Regel ist – wie Malik sagt, s.o. – dass Menschen nicht jeden Tag Spitzenleistung bringen. Und daher darf Salomo statt des eigentlich korrekten “nur echt loben” ruhig sagen: “weniger loben”.
Ralf Lengen -
Noch etwas zum Thema “Entschuldigung”: Ist es schlimm, dass jemand sich oft entschuldigt? Ich finde: Nein! Denn was soll er denn machen, wenn er wieder mal einen Fehler gemacht hat? Sich nicht entschuldigen?
Erinnert mich an folgenden Witz: — Müller und Schmidt sitzen in der Kneipe. Auf einmal nimmt Müller sein volles Glas Bier und schüttet es über Schmidt aus – und entschuldigt sich vielmals dafür. Schmidt verzeiht. Nächsten Abend dasselbe Schauspiel. Schmidt verzeiht erneut. Am nächsten Abend verzeiht Schmidt nicht mehr, sondern fordert Müller auf, sich therapieren zu lassen. Drei Wochen später: Müller zu Schmidt: “Ich bin geheilt! Lass uns das begießen!” – und schüttet Schmidt erneut Bier über den Kopf. Schmidt: “Ich dachte, Du bist geheilt!” – Müller: “Ja, bin ich auch! Es tut mir nicht mehr leid!” — D.h. es geht gar nicht um die Entschuldigung. Was den anderen nervt, ist, dass wir uns zwar entschuldigen, aber den Fehler nicht abstellen.
Salomo sagt: “Wer seinen Fehler bekennt UND LÄSST, wird Erbarmen finden.” (Sprüche 28,13; Heraushebung von mir und nicht von Salomo!). Siehe dazu folgenden Beitrag: http://salomo.de/wordpress/die-top-3-der-krisen-pr-ehrlichkeit-kompensation-und-vorkehrungen-fur-die-zukunft/
Susann -
Entschuldigungen sind wahrscheinlich ein Thema für sich… Aber dennoch: Ja, ich finde, man sollte sich nicht ständig entschuldigen. Eine Entschuldigung ist viel zu schnell dahin gesagt (und den Tonfall kann man üben). Der andere ist dann mehr oder weniger gezwungen, die Entschuldigung anzunehmen. Für den Entschuldigenden ist das Thema so schnell aus der Welt geschaffen und er kann sich wieder anderen Dingen widmen. Viel zu einfach! Ich persönlich will merken, dass der andere sich mit dem Thema wirklich auseinander gesetzt hat und dann – wenn er wirklich begriffen hat, worum es geht – kann er sich gern entschuldigen. Aber nicht einfach so… nebenbei, mal eben schnell, und viel zu oft. Ansonsten haben Sie aber Recht